Dass Altern mit körperlichen Einschränkungen und Leistungsabfall einhergeht, ist kein Geheimnis. Dabei ist laut der AOK die Tatsache nicht zu vernachlässigen, dass sich diese Veränderungen auch auf unsere Psyche und unser Sozialleben auswirken können. Schwindende körperliche Kräfte und Verschlechterungen in der Merkfähigkeit, (chronische) körperliche Erkrankungen und Verluste geliebter Menschen wie zum Beispiel des/der Partnerin können sehr belastend sein. Einsamkeit hat schwerwiegende Folgen für die Gesundheit eines Menschen. Hinzu kommt, dass körperliche Einschränkungen auch meist eine Einschränkung der Mobilität einer Person bedeuten.
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Neben demenziellen Erkrankungen sind Depressionen im Alter die meistverbreitete psychische Erkrankung. Studien zeigen, dass 7,2 % der über 75-Jährigen unter einer schweren Depression leidet. Nicht wenige Senior*innen weisen darüber hinaus depressive Symptome auf, die die Standardkriterien für depressive Erkrankungen nicht hinlänglich erfüllen, aber dennoch von den Betroffenen als beeinträchtigend erlebt werden. Fasst man die Kriterien für depressive Symptomatik entsprechend breiter, zeigen sich Häufigkeiten von 10 bis 19,5 %. Eine besonders hohe Belastung lässt sich bei älteren Personen mit Migrationshintergrund finden. Als weitere Risikofaktoren konnten weibliches Geschlecht, funktionelle Beeinträchtigungen durch körperliche Erkrankungen sowie eine nur begrenzte soziale Integration ermittelt werden. Einsamkeit ist demnach ein nicht zu unterschätzender Faktor.
Eng verbunden mit der psychischen Gesundheit einer Person ist ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität. Mit dieser werden ihr körperliches und mentales Befinden, ihre soziale Interaktion sowie ihre Fähigkeit zur Alltagsbewältigung beschrieben. Mit der Zunahme an Funktionseinschränkungen und chronischen Erkrankungen im Alter sinkt laut RKI die körperliche Lebensqualität, während die mentale Lebensqualität im Mittel steigt. Für diesen Erhalt bzw. die Steigerung der Lebensqualität ist entscheidend, inwiefern es einer Person gelingt, sich auf eine Veränderung der Lebenssituation wie das Nachlassen der körperlichen Kräfte einzustellen, und wie diese Veränderung bewertet wird. Eine weitere hilfreiche Strategie kann sein, sich auf einzelne wichtige Lebensbereiche und Menschen zu konzentrieren.
Alter und Sucht
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) beschreibt in ihrem Bericht zu Suchtproblemen im Alter, dass problematischer Konsum nicht nur ein Thema in jüngeren Lebensjahr ist: betrachtet man die Altersgruppe der über 65-jährigen Konsument*innen, zeigt sich, dass etwa 30 % der Männer und 18,5 % der Frauen einen aus gesundheitlicher Perspektive riskanten Konsum aufweisen. 9 % der Frauen und 15 % der Männer sind Raucher*innen. Illegalen Substanzen kommt in der Altersgruppe bisher keine tragende Rolle zu, hinsichtlich des Themas Medikamente zeigt sich ein gegenteiliges Bild: Eine Untersuchung von Pflegekräften ergab, dass sie bei 14 % der Bewohner*innen in stationären und ambulanten Institutionen einen problematischen Konsum von Alkohol und/oder Medikamenten annehmen. Zeitgleich lässt sich feststellen, dass trotz dieses Bedarfs Einrichtungen der Suchthilfe deutlich weniger von älteren Personen in Anspruch genommen werden. Woran liegt das?
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Hierfür nennt die DHS mehrere Gründe: Sucht passiert eher heimlich oder wird vom Umfeld hin genommen, weil „sich das eh nicht mehr ändert“. Konsumfolgen wie eine geringere Leistungsfähigkeit oder Müdigkeit werden eher als Erscheinungen des Alters interpretiert, obwohl der Konsum insbesondere mit der steigenden Anfälligkeit des Körpers gravierende Konsequenzen haben kann. Auch die Haltung, dass sich eine Therapie „nicht mehr lohnt“, obwohl sie mit einer deutlichen Verbesserung der psychischen Gesundheit einhergeht, ist ein verbreitetes Hindernis für die Inanspruchnahme von Unterstützung.
Dazu kommt, dass es sowohl für Angehörige als auch professionelle Helferinnen schwierig ist, Betroffene anzusprechen. Eine Suchterkrankung ist bei älteren Menschen noch immer schambehaftet und die Bereitschaft, sich in Behandlung zu begeben, gering. Dennoch sei unter Betroffenen der Wunsch verbreitet, dass der problematische Konsum gesehen und Unterstützung angeboten wird.
Tipp: Vorschläge, wie ein solches Gespräch gestaltet werden kann, sowie Fragebögen zur Erkennung von problematischem Konsum können dem Bericht entnommen werden.
Alter und geistige Fitness
Mit Zunahme des Alters sind laut RKI sowohl Einbußen in der kognitiven Leistungsfähigkeit zu beobachten als auch eine Zunahme dieser. Dies bedeutet genauer gesagt, dass sich in der „kognitiven Mechanik“ (hierunter fällt zum Beispiel das Kurzzeit- und das Arbeitsgedächtnis sowie geistige Funktionen, die uns nach Plan, zielorientiert und bedacht handeln lassen) geringere Leistung bei steigendem Alter zeigt, während die der „kognitiven Pragmatik“ (hier in zugehören unter anderem das Allgemeinwissen oder der Wortschatz) im Alter von 50 Jahren ihren Höhepunkt erreicht und bis zum Lebensende verhältnismäßig konstant bleibt.
Wenig überraschend ist zudem, dass ein Verlust der Gedächtnisleistung im Alter auch mit einer sinkenden mentalen Lebensqualität einhergeht – anders als bei Menschen, die solche Leistungseinbußen nicht feststellen.
Wegfall der beruflichen Rolle
Älter zu werden, ist neben gesundheitlichen Veränderungen häufig verbunden mit neuen bzw. andere Rollen: Antje Schmitt beschreibt in ihrem Artikel aus psychologischer Perspektive die Herausforderungen des Übergangs in beziehungsweise die Anpassung an den Ruhestand. Neben finanziellen Folgen durch ein geringeres Einkommen bringt dieser auch mit sich, dass psychosoziale Funktionen wegfallen. Für viele Menschen ist die Arbeit ein Ort, wo sie mit anderen Menschen in Kontakt kommen, sich austauschen und zusammenarbeiten können. Arbeit gibt Struktur, erfordert Aktivität, erweitert die eigenen Kompetenzen und bietet Anerkennung.
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Mit dem Eintritt in die Rente muss der Alltag zeitlich und inhaltlich neu gestaltet werden. Die eigene Identität muss durch den Wegfall der beruflichen Rolle angepasst werden, etwa durch eine höhere Gewichtung von familienbezogenen Rollen. Zu Wer sich stärker mit seiner beruflichen Rolle identifiziert, hat er Schwierigkeiten mit den Veränderungen der eigenen Rollen als eine Person, die schon vor dem Ruhestand in nicht-berufliche Rollen eingebunden sind. Gleichzeitig bringt der Ruhestand auch viele Pluspunkte mit sich, wie zum Beispiel mehr zeitliche Freiheit für Aktivitäten, die früher neben dem Beruf stattfinden mussten, wie Treffen mit Freund*innen, der Familie oder gesellschaftliches Engagement.
Weitere Faktoren, die beim Eintritt in die Rente eine Rolle spielen können, sind unter anderem die Art der ausgeübten beruflichen Tätigkeit und die damit einhergehende (mentale) Belastung, die vorherige Zufriedenheit mit der ausgeübten Arbeit sowie Zeitpunkt und Freiwilligkeit des Ausstiegs aus dem Berufsleben. So ist nicht verwunderlich, dass es einen Unterschied macht, ob jemand durch gesundheitliche oder betriebliche Umstände gezwungen ist, früher als geplant in den Ruhestand zu gehen oder der Zeitpunkt selbstbestimmt ist.
Bente Klabes, Januar 2025
Diplom-Psychologin