Liebe Leudde,
in den letzten Tagen habe ich mich (wieder einmal) mit dem Thema Zeit und deren Empfinden beschäftigt. Ich möchte gleich gestehen, ich habe nicht etwa Bücher dazu gelesen. Nein, ich habe darüber nachgedacht. Ohne Erhebungen und Daten, nur von dem ausgehend, was ich so wahrnehme. Zwangsläufig kann das nur ein Teil der Wahrheit sein und wenn, dann ist dieser nur sehr eingeschränkt belegt. Nichtsdestotrotz möchte ich mit diesem Funke die angesprochene Gedankenreise zu Papier bringen und vielleicht noch etwas fortführen. Ihr ja vielleicht auch. Hier also ein paar Gedanken zur Zeit.
Häufiger denke ich über die Zeit nach, naja, oder eben über den Lauf der Dinge. Fehlt da was? Nein, ich meine Zeit an sich, keine bestimmte Zeit. Das Thema kann schnell abstrakt werden, was die Gefahr mit sich bringt, dass einem am Ende nur noch der Kopf schwirrt. Ich mag dieses Risiko.
Eine besondere Relevanz hat das Thema in der letzten Zeit (huch :-)) aufgrund von Gesprächen bekommen, in denen Leute häufiger eine Unsicherheit gegenüber der Zukunft geäußert haben. In diesen Gesprächen hat sich wie von allein eine wiederholende Struktur ergeben. Ich fragte danach, wie es vor 5 Jahren gewesen ist und wie es jetzt um ihre Situation bestellt ist. Die Antwort darauf war stets, dass es nun besser sei und es noch einige Dinge zu verändern gelte, aber sich da einiges getan hätte und man nun bedeutend „weiter“ oder – anders gesagt – zufriedener mit dem eigenen Leben sei. Meine sich anschließende Frage, ob es realistisch sei, dass ein Rückblick in fünf Jahren auf jetzt ähnlich ausfallen würde, wurde von den Gesprächspartner*innen ausschließlich bejaht.
Die Frage, die sich für mich daraus ergibt: Was steckt in dieser Unsicherheit mit dem Jetzt? Ich will es versuchen, ganz ohne Studie. Bezieht das gern in eine mögliche Bewertung mit ein.
Ich meine an mir wahrzunehmen, dass auch meine Gegenwart häufig durch Baustellen, Herausforderungen und das Abarbeiten dieser geprägt ist. Seltenst nehme ich mir die Zeit einfach nichts zu tun, in den Himmel zu schauen oder einfach zu spüren – losgelöst von gut oder schlecht. Das Innehalten fällt mir enorm schwer, den „Motor“ einmal auslaufen zu lassen – bis zum Stillstand. Viel steht in Bezug auf den gerade passierenden Moment unter der Überschrift „schnell und gut weiter, bald is ruhiger“. Als ob es nicht genügen würde, was ich an jedem Tag mache. In der Rückschau auf das letzte Jahr (oder die letzten Jahre) ist meine Bewertung hingegen bedeutend positiver. Viele tolle Dinge sind passiert und haben sich entwickelt. Genauso wie bei den Personen, mit denen ich dazu sprach.
Je älter ich werde, desto mehr habe ich das Gefühl, dass in Redewendungen mehr Bedeutung liegt, als ich bisher aus diesen rausgelesen hab. In Bezug auf das Thema Zeit, die Schwierigkeiten des Verweilens und das Eilen in die Zukunft fallen mir gerade „Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden“, „Stück für Stück und Schritt für Schritt“, „Gut Ding braucht Weile“ und „Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“ ein. Alle verweisen meiner Ansicht nach auf die Langfristigkeit von (positiven) Veränderungen. Und die Begrenztheit dessen, was wir in jedem Moment leisten können.
Die Ungeduld, die man mit dieser Veränderungsvorlaufzeit bekommen kann, meine ich bei vielen Menschen zu beobachten. Es könnte von den zahlreichen Dingen kommen, die wir mittlerweile erleben können (bspw. Reiseziele, Medien, Lebensentwürfe).
Oder von den vielen (sich auch daraus ergebenden) Dingen, die erledigt werden müssen. So viele Sachen sind irgendwie in Reichweite. Und doch kann man in jedem Augenblick nur so viel – oder wenig – machen. Mhm, nicht so einfach. Vor allem damit umzugehen. Vielleicht findet sich ja im Folgenden ein Ansatz:
Ich las heute eine Geschichte (https://www.antjegrube.com/blog/ungeduld/). Ich tue mich nicht ganz leicht mit ihr, weswegen ich sie auch nicht komplett mit in den Funke gepackt habe. Die Quintessenz, die ich aus der Erzählung herausnehme, möchte ich aber gern teilen: Ungeduld (- gern auch in Form der Rastlosigkeit -) beinhaltet, sich nach einem Zustand in der Zukunft zu sehnen, einem Gefühl, dass sich möglicherweise mit dem Eintreten des Ereignis X breitmacht. Dadurch entsteht eine Kluft zwischen Jetzt und Später.
Nach dem Gefühl der Ungeduld kann man wiederum suchen. "Wo spürst du es am stärksten, wenn du an das denkst, wonach du dich sehnst? Ist es ein Ziehen im Herzen? Ein Druck im Magen? Ein Schwirren im Kopf? Wenn du das Gefühl gefunden hast, beobachte es. Schieb es nicht weg, auch wenn es sich unangenehm anfühlt.“
In der Geschichte erzählt das allwissende Universum, welches von einem Menschen zu dessen Ungeduld befragt wird, dass hinter dem Lottogewinn, dem Schulabschluss oder des*der perfekte*n Partner*in weitere Dinge stehen („Ist es Liebe? Erfüllung? Geborgenheit? Wärme?“). Die Quintessenz des Universums ist: „Was auch immer es ist - sobald du erkannt hast, wonach du dich wirklich sehnst, wirst du es finden. Im Jetzt! Du wirst dieses Gefühl in deinem Leben entdecken, völlig unabhängig von äußeren Ereignissen. Du wirst erkennen, dass es bereits da ist.“
Eine andere Möglichkeit, die sich damit vielleicht wunderbar kombinieren lässt, ist es, den Dingen ihren (häufig langsamen) Lauf zu lassen und Astrid Lindgren zu folgen, die gesagt haben soll: "Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach da zu sitzen und vor sich hin zu schauen." Und wenn dann noch eine Prise Zuversicht dazu kommt, sieht das Jetzt möglicherweise schon ein gutes Stück mehr danach aus, wie wir es im Rückblick in 5 Jahren wahrscheinlich sehen werden.
Wir wünschen euch gute Tage und viel Gesundheit.
Bis bald, Bente und Roger
Präventionsteam der Brücke Flensburg
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